ls kleines Mädchen übte Deva Cassel Posen vor dem Spiegel. Die Bewegungen hatte sie sich von ihrer Mutter abgeschaut, die Kleidung, die sie trug, stammte von ihrem Vater. Es sind typische Rollenspiele für ein Kind, umso mehr, wenn beide Eltern weltberühmte Schauspieler sind.

Deva Cassel erinnert in ihrer Kostümjacke aus Seidenduchesse an die Hollywood-Sirenen der Forties. (Foto: Zeb Daemen)
Monica Bellucci und Vincent Cassel, zwei Stars des europäischen Films, die ihre Tochter schon mit vier zu Dreharbeiten mitnahmen. Von der Mutter hat sie die vollen Lippen, die definierten Augenbrauen und dunklen Haare, vom Vater die schlanke Gesichtsform und die schmalen Augen, die einen oft unter leicht gesenkten Lidern anblicken, als sei Cassel gerade aus einem Traum erwacht. In Wahrheit lebt die 20-Jährige einen Traum im Wachzustand: Sie modelt für Luxus- und Modehäuser, ist Botschafterin von Häusern wie Cartier, arbeitet mit Star-Fotografen wie Steven Meisel und Designern wie Maria Grazia Chiuri von Dior zusammen. In diesem Winter wird sie in der sechsteiligen italienischen Netflix-Serie „Der Leopard“ zu sehen sein, die auf dem berühmten gleichnamigen Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa von 1958 basiert. Das Buch, das vom Niedergang einer sizilianischen Adelsfamilie im Italien des 19. Jahrhunderts handelt, ist eine Art italienisches Kulturdenkmal, ebenso wie die erste Verfilmung vom Regisseur Luchino Visconti, die 1963 in die Kinos kam. Die Rolle von Deva Cassel, die der schönen Tochter eines Parvenüs, spielte damals Claudia Cardinale. Noch so eine italienische Ikone.

Der klassische Smoking – ganz sinnlich interpretiert. (Foto: Zeb Daemen)
„Nepo-Baby“, dieser Stempel, in dem meist der Vorwurf mitschwingt, als Kind bekannter Eltern Vorteile zu genießen, die andere sich erst erarbeiten müssen, wurde auch ihr aufgedrückt. Das kann einen fordern aber auch überwältigen, motivieren aber auch paralysieren. „Als Teenager wurde ich ständig mit meiner Mutter verglichen. Ich liebe sie, aber ich habe schon auch darunter gelitten“, sagt sie im Interview. Deva Cassel entschied sich früh dafür, Chancen zu ergreifen, aber sie bestimmte selbst, welchen Weg sie gehen wollte. Der Schauspielerei verweigerte sie sich zunächst und stürzte sich dagegen ins Modeln. „Alle sagten zu mir: Bestimmt trittst du mal in die Fußstapfen deiner Eltern. Ich habe das total abgelehnt“, sagt sie. Und es gab ja Alternativen. Mit 14 war sie erstmals in einer Kosmetik-Kampagne von Dolce & Gabbana zu sehen, mit 16 war sie mit ihrer Mutter auf dem Cover der italienischen „Vogue“. „Als ein Fotograf zum ersten Mal Fotos von mir machte, fühlte es sich für mich ganz natürlich an, mich vor der Kamera zu bewegen, und ich hatte großen Spaß dabei“, sagt sie. Sie führt fort, was sie vor dem heimischen Spiegel angefangen hatte, und natürlich hat sie die besten Lehrer. Mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Léonie lebt sie in Paris, das Reisen ist sie ohnehin gewohnt, aber gerade ist es vor allem das italienische Kino, in dem sie sich ausprobiert.

Elegantes Kleid mit naturalistischen Stickereien mit 3D-Effekt am Halsausschnitt, aus leichtem Wolle-Seide-Mix. (Foto: Zeb Daemen)
„„Meine Mutter hat mir beigebracht zu lieben. Sie hat mir wirklich alles über das Leben erklärt.““
2023 dann doch die erste Filmrolle, als Amelia im Film „Der schöne Sommer“ von Laura Luchetti, der im vergangenen September auch in Deutschland lief. „Erst das Drehbuch zu diesem Film hat mich davon überzeugt, der Schauspielerei eine Chance zu geben“, sagt sie. Cassel mag ihren Modeljobs bisher den Vorrang gegeben haben, doch man kann davon ausgehen, dass „Der Leopard“ ihrer Karriere zu einem großen Sprung in Richtung Filmstar verhelfen wird. Wenn sie es denn will. „Ich weiß noch nicht, ob ich mich komplett der Schauspielerei hingeben werde. Erst mal möchte ich weiterhin beides machen“, sagt sie.

Wer erinnert sich noch an die „Sweater Girls“? Deva trägt einen bestickten Cardigan im zuckersüßen Fifties-Stil zum passenden Tellerrock aus Seidensatin. (Foto: Zeb Daemen)
In einer Hinsicht hat der Film ihr Leben schon verändert: Bei den Dreharbeiten lernte Cassel ihren Partner kennen, den Schauspieler Saul Nanni, der aus Bologna stammt. Die ersten Pärchen-Selfies hat man schon gepostet, die ersten Modenschauen gemeinsam besucht. Die Öffentlichkeit schaut natürlich ganz genau hin. Aber Cassel ist mit solchen Blicken aufgewachsen und dem Rat ihrer Eltern, einfach das zu tun, was ihr Spaß macht. „Meine Mutter hat mir beigebracht zu lieben. Sie hat mir alles über das Leben erklärt, dass Dinge mich verletzen oder überraschen können. Sie ist für mich da, wie eine richtige italienische ‚Mamma‘“, sagt sie. Mit gerade mal 20 Jahren hat Deva Cassel schon so viel erlebt und gleichzeitig die Gewissheit: Da wird noch mehr passieren.

Federico Fellini wäre entzückt gewesen! Ockerfarbenes Minikleid im römischen Sixties-Stil aus Seidengeorgette mit Rüschenkragen. (Foto: Zeb Daemen)
„Meine Mutter hat mir beigebracht zu lieben. Sie hat mir alles über das Leben erklärt, dass Dinge mich verletzen oder überraschen können. Sie ist für mich da, wie eine richtige italienische ‚Mamma‘“, sagt sie. Mit gerade mal 20 Jahren hat Deva Cassel schon so viel erlebt und gleichzeitig die Gewissheit: Da wird noch mehr passieren.